Mittwoch, 9. Mai 2012

Moral oder Freundschaft

Geschichte wiederholt sich ständig.

Meine alten Freunde aus der Schule mit denen ich viel erlebt habe und die ich sehr gerne mag, gehören heute einer Gruppierung an, die für Menschenverachtende Verbrechen verantwortlich sind, Volksver-hetzung, Folter, Ausgrenzung einer Religions-gemeinschaft, Bücherver-brennung, Kriegsverbrechen, Mord am eigenen Volk, Propaganda und Genozid.

Es ist 1942 und ich klage die Verbrechen meiner Freunde an, die nun in die NSDAP eingetreten sind und sich mitschuldig gemacht haben, als Teile des Systems...

Immer wieder habe ich versucht Kontakt aufzunehmen. In der Schule waren wir gute Freunde. Wir hatten alle unseren eigenen Kopf und unterschiedliche Vorstellungen, jedoch im Herzen waren wir uns nahe. Die Pubertät stellte uns vor die gleichen Schwierigkeiten, die wir gemeinsam meisterten. Saufgelage, die erste Liebe, der erste Liebesschmerz, zu lange Arme oder Beine, zwischen den Welten von Erwachsenen und Kindern, jugendlichen Blödsinn, Schlägereien und der Umgang mit einer inneren Triebkraft in ungeahntem Ausmaß.

Die Schule nahte sich dem Ende und wir waren sehr gute Freunde. Jeder kannte die Tiefen, die Ängste und die Macken des anderen. In der Schule war es uns nur zum Teil bewusst, wie sich die Welt um uns herum veränderte. Wie die Menschen um uns herum gleich geschaltet wurden. Wir wuchsen noch mit neutraler Wertung von Menschen auf. Dies sollte sich in den nächsten Jahren dramatisch ändern.

Einer meiner beiden Freunde ging zur Luftwaffe, der andere fing eine Lehre als Mechaniker an, ich wurde Geselle bei einem Fotografen Meister. Mit dem Mechaniker hatte ich noch viel Kontakt, er half mir des öfteren aus der Patsche, wenn ich zum Beispiel mein Auto im Acker versenkt hatte, oder Starthilfe brauchte (mitten in der Nacht). Mein Freund der zur Luftwaffe ging, hielt schriftlich mit mir Kontakt. Alles schien sich wunderbar zu entwickeln. Nach meiner Lehre wurde ich eingezogen, wurde jedoch auf Grund meiner pazifistischen Einstellung entlassen. In der kurzen Zeit beim Militär lernte, ich eine andere Welt kennen. Eine Welt voller Vorurteile, blindem Gehorsam, Seelenlosigkeit, Mordlust, Hass auf den "Feind" und gewollter Dummheit.

Kaum aus diesem Albtraum erwacht, änderte sich die Welt schlagartig. Es herrschte Krieg. Es gab echte Feinde und im Volk selbst wurde eine Religiöse Gruppe Mensch auf einmal zum Unmensch. Entrechtet, verfolgt, durch Propaganda zum Schuldigen an allem gemacht, sie wurden ohne Anklage wie Tiere eingesperrt, gefoltert, getötet und Millionenfach ausradiert. Viele dieser Menschen kannte ich. Sie waren auch meine Freunde, mit denen ich ebenfalls aufgewachsen bin. Ich verstand nicht die zweite Fratze der Masse, die sich früher tolerant gaben und nun "hängt sie" rufen.

In dieser verrückten Welt schloss ich mich dem Widerstand an. Ich versuche die Menschen aufzuklären, dass es nur gute und schlechte Menschen gibt, in jeder Farbe, jedes Glaubens und gesellschaftlicher Schicht. Versuche die eigenen Verbrechen aufzuzeigen, um eine andere Selbstwahrnehmung der vielen Manipulierten zu entwickeln. All meine Energie, all meine Intelligenz und mein Herz setze ich für diese Aufgabe meines Lebens ein.

Meine Freunde haben sich verändert. Der eine der zu Luftwaffe ging, ist nun Flugzeugmechaniker und hilft mit Frauen und Kinder im Bombenhagel zu töten. Mein guter Freund, der Mechaniker lernte, arbeitet als zivil angestellter Mechaniker am Logistiksystem der Luftwaffe und macht sich damit ebenfalls mitschuldig an den zahlreichen Verbrechen. Immer wieder kommen vereinzelte Schreiben, aber mir fehlt die Kraft zurück zu schreiben. Es fühlt sich nicht richtig an. Es ist als ob man sich trifft und über das Wetter redet und im inneren, die Seelen in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Nichts geht mehr in die Tiefe und ich kriege es nicht über's Herz die Missstände ihres Verhaltens anzusprechen. Die alte Freundschaft ist so wichtig und dennoch vergiftet durch die unausgesprochenen Anschuldigungen, die mein Inneres in den Raum zwischen uns schreit.

Werde ich mich gegen meine Freunde stellen und sie wenn nötig für ihre Verbrechen anklagen?









...MOMENT!... wir schreiben das Jahr 2012 und meine beiden alten Freunde sind bei der American AirForce beschäftigt...

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